29.07.2022 Gaia WDSF
Weltranglistenturnier in Vila Nova de Gaia (Portugal)
Birgit und Marcel skaten haarscharf am Treppchen vorbei
An den Vienna Dance Concourse früherer Jahre hatten Birgit und Marcel Erné mancherlei positive Erinnerungen. Nicht nur, weil sie dort fünfmal bei internationalen Turnieren die Siegestrophäe erobert hatten, sondern auch wegen des unvergleichlichen Ambientes im Wiener Rathaus.
Dennoch hatten sie in diesem Jahr ein anderes Ziel: Den 28 Ländern, in denen sie im Laufe der Jahre internationale Turniere getanzt hatten, wollten sie mit Portugal das 29te hinzufügen und so die Sammlung mit dem westlichsten europäischen Land vervollständigen.
Die Gelegenheit war ideal, denn sie hatten ohnehin geplant, dort Urlaub zu machen und sich mit Freunden zu treffen. Da kam die Ankündigung einer Reihe von WDSF-Turnieren in Vila Nova de Gaia, der Schwesterstadt von Porto auf der anderen Uferseite des Douro, genau richtig.
Doch die Hinreise sollte sich zu einer Odyssee entwickeln. Schon der erste Anblick um vier Uhr morgens im Airport Hannover ein Schock: Eine endlose Warteschlange wälzte sich über mehrere Terminals hinweg durch die Gänge, das Ende war nicht abzusehen. Glücklicherweise hatte Birgit alle Formalitäten bis auf die Security schon vorab elektronisch erledigt, und sicherheitshalber hatte man in diesen ungewissen Zeiten nur Handgepäck mit. So gelangten die Beiden doch recht zügig zum Gate und auch in die Lufthansa-Maschine zum Zwischenstopp nach München. Doch drinnen begann das lange Warten: Viele andere Passagiere schafften es nicht so schnell, und es dauerte weit über eine Stunde, bis über den Lautsprecher die Meldung „Boarding complete“ ertönte. Der Flieger hob ab, drehte alsbald wegen Nebels ein paar Ehrenrunden über dem Erdinger Moos, landete – und nichts passierte. So früh war das Bodenpersonal doch noch nicht auf den Beinen! Also wieder abwarten. Auch hier, am Münchner Flughafen, hatten alle Flugzeuge deutliche Verspätungen bis zu mehreren Stunden – bis auf die Anschlussmaschine nach Porto. Die war pünktlich gestartet und folglich längst weg. Was tun? Einmal quer über die gesamte Ebene K zum Servicecenter. Dort ein Plakat: „Dieser Schalter ist derzeit leider nicht besetzt. Sie können aber mit dem Zug das Servicecenter auf Ebene G erreichen“. Gut, machen wir. Dort wieder zwei Stunden warten.
Da an diesem und auch am nächsten Tag alle weiteren Maschinen nach Porto ausgebucht waren, entschloss man sich, einen Umweg über Lissabon zu nehmen. Fünf Stunden später der eindrucksvolle Anflug auf Portugals Metropole am Atlantik.
Nun war man schon mal in Portugal, aber wie jetzt weiter?
Nach nochmaligen zwei Stunden Warten am Sonderschalter hatte man endlich zwei Flugtickets nach Porto in der Tasche. Zwar für weit voneinander entfernte Sitze, aber egal, es sollte ja nur noch eine Flugstunde dauern. Im Flugzeug durften die Beiden dann doch zusammen sitzen und kamen schließlich mit 10 Stunden Verspätung, aber immerhin noch am selben Tag, erst in Porto und dann nach Taxifahrt am eigentlichen Ziel in Vila Nova de Gaia an.
Ziemlich erschöpft fiel man schnell ins Hotelbett und schlief sich nach den Strapazen und Aufregungen erst einmal aus.
Am nächsten Morgen gleich der Besuch der imposanten Stahlbrücke über den Douro, die stark an das berühmte Pariser Wahrzeichen von Gustave Eiffel erinnert – und tatsächlich hatte sein Mitarbeiter Theophile Seyrig diese gewaltige Konstruktion geplant.
Über diese Brücke erreicht man bequem die andere Seite des Flusses und damit die Altstadt Portos mit vielen pittoresken Aussichten.
In den Gassen tanzt man Samba und Fado.
Und nach einem ausgiebigen Rundgang bergauf und bergab durch die alten Gassen Portos erwartete die ausdauernden Wanderer am Abend ein besonders ausgeklügeltes Menü.
Am Sonntag war es dann soweit: Das Weltranglistenturnier stand an.
Leider hatten die an sich freundlichen Veranstalter erst im letzten Moment einen Zeitplan für die Turniere und schon gar keinen Hinweis auf Ort und Zeit des Check-Ins veröffentlicht, so dass es ratsam schien, möglichst bereits morgens die Anmeldung zu erledigen und schon mal die Turnierstätte in Augenschein zu nehmen, was auch problemlos gelang.
Für den Turniernachmittag waren die Tische liebevoll mit Blumen geschmückt.
Fotos: Marcel Erné und Birgit Suhr-Erné
Rechtzeitig vor dem Turnier trafen auch die Kirchhorster Freunde Dorothee und Christian Meineke ein, die schon ein paar Wochen Portugal-Erfahrung (im wahrsten Sinne des Wortes: 3000 km) hinter sich hatten. Spontan entstand gleich ein Begrüßungsfoto von unserem Paar, das sich mittlerweile in Robe geworfen hatte.
Außer Birgit und Marcel kamen alle Teilnehmer der Senior IV Standard von der iberischen Halbinsel und waren meist erst vor kurzem in diese Altersklasse gewechselt. All diese Paare hatten deshalb auch die Senior III Open mitgetanzt und bis auf eine Ausnahme dort sogar im Finale gestanden.
Beim WDSF-Turnier der Vierer-Senioren hatte es leider kurzfristige Absagen gegeben, so dass hier letztendlich nur ein Finale mit Paaren aus drei Nationen zustande kam. Das hatte es allerdings in sich: Ohne jegliche Verschnaufpause wurden alle fünf Tanze hintereinander durchgepeitscht. Da gab es keine Zeit für gründliches Durchatmen – geschweige denn eine Gelegenheit zu einem Schluck Wasser bei den tropischen Temperaturen. Offenbar sind die mediterranen Tänzer solche Härtetests gewohnt.
Für Birgit und Marcel war es hingegen schon eine besondere Challenge, die letzte Reserven abforderte.
Fotos: Dorothee Meineke
Sie machten ihre Sache dennoch gut, überspielten die Anstrengung und präsentierten sich überzeugend.
Fotos: Joao Alves
Foto: Dorothee Meineke
Leider klebt den Beiden in diesem Jahr das sprichwörtliche Wertungspech an den Tanzschuhsohlen. Obwohl bei fast zwei Dritteln der für sie abgegebenen Wertungen die Einzelnoten 1, 2 oder 3 herauskamen und sie den Tango auf Platz 2 beendeten, blieb am Ende nach Platzzifferngleichheit und Skating doch nur der „undankbare“ vierte Platz, so dass sie neben dem Treppchen Aufstellung nehmen mussten. Wieder einmal hatte ihnen die ungeliebte Majoritätswertung einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Foto: Joao Alves
Immerhin erhielten auch Birgit und Marcel zwei hübsche Medaillen als Anerkennung.
Ergebnisse:
https://www.worlddancesport.org/
Deutlich mehr Zulauf als die Standardturniere hatten die Lateinturniere – die liegen den Iberern offenbar mehr im Blut.
Eine Besonderheit dieses Turniertages, die man in anderen Ländern selten antrifft, waren die unzähligen reinen Damenformationen. Wirklich hübsch anzusehen – da lehnen sich die bequemen Herren der Schöpfung offenbar lieber auf ihren Sitzen zurück und schauen den Girls bei ihren schweißtreibenden und doch so attraktiven Shows zu.
Fotos: Marcel Erné
Am Abend hatten die vier Portugal-Urlauber dann nach einer langen durch unzählige Einbahnstraßen und Absperrungen verursachten Irrfahrt zum Ufer des Douro doch noch Glück und erwischten im Restaurant „Sancho Panza“ genau den richtigen Moment, um einen Tisch zu ergattern. Minuten später staute sich wieder einmal eine endlose Warteschlange auf.
Der nächste Tag, wieder bei herrlichem Sonnenschein, war einem Bummel durch die Gassen von Vila Nova de Gaia gewidmet.
Auch ein Besuch des erst vor wenigen Jahren eröffneten gewaltigen Ausstellungsgeländes „World of Wine“ (WOW) durfte nicht fehlen …
wie auch der Blick auf den höchsten Turm Portugals:
Im Inneren der Museen eindrucksvolle Maschinen mit vielen PS …
… oder auch nur zwei MS.
Sogar der TSC war mit einem schmucken Emblem vertreten.
Im Museu dos Marionetas ließen Birgit und Marcel dann mal zur Abwechslung die Puppen tanzen.
Aber dann juckte es beim Anblick der Flamenco-Damen auf einem farbenfrohen Boot doch wieder in den Beinen.
Marcel zog in Anbetracht der Hitze sportliche Betätigung im kühlen Nass vor,
während Birgit im schattenspendenden Korb Erholung suchte.
Auf einem einsamen Eiland gestrandet schwenkte Marcel die Friedensfahne …
und als sich hinter ihm Neptun drohend aus den Meereswogen erhob,
entflohen die Beiden in die Lüfte, der Heimat entgegen.
Fotos: Marcel Erné und Birgit Suhr-Erné
Bleibt für die Zukunft das Rätsel: Welches wird das 30. Land und zugleich das 100. Auslandsturnier bei der weltweiten Tournee der beiden Globetrotter?